Wenn man in ein fremdes Land kommt und dort eine Weile bleibt, ist die Landessprache wichtig. Dies war eine der Hauptaufgaben, die sich der Stockacher Helferkreis für Flüchtlinge gegeben hatte – und die der Verein Kulturbrücke als Nachfolgeorganisation übernommen hat. Um geflüchtete Menschen zum Deutschsprechen zu bringen, laden Christiane Pieper und Sonia Steidle von der Kulturbrücke regelmäßig am frühen Montagabend Geflüchtete und Einheimische zum Malen ein. Denn außerhalb von Kursen oder Ausbildung bieten sich den Menschen kaum Anlässe, um Deutsch zu sprechen. Doch Sprechanlässe bräuchten sie, sagt Schriftführerin Ute Kohlmann.

Doch wie passen Malen und Sprechen zusammen? "Verbunden mit dem Malen ermutigen wir die Teilnehmer zum Sprechen", erklärt Christiane Pieper dazu. Man wolle die Leute dazu bringen, etwas umzusetzen, was im Kopf ist. Viele seien dann glücklich und erstaunt, dass etwas Schönes dabei herauskommt – auch wenn sie vielleicht noch nie in ihrem Leben gemalt haben. Dass dabei auch psychische Belastungen zutage treten können, deutet Sonia Steidle an: Ein Teilnehmer habe grundsätzlich mit schwarzer Grundfarbe gemalt.

Und auch manchen Bildern, die an der Wand des Raumes in der Gemeinschaftsunterkunft hängen, in dem die Treffen stattfinden, kann man Fluchterlebnisse ansehen. Beim Malen sollen die Menschen sich ohne Scheu artikulieren, erklärt Pieper, und miteinander ins Gespräch kommen. Die Macherinnen streben eine Verlängerung der Aktion über September hinaus an.

Teilweise kommen auch einzelne Einheimische dazu, erzählt Pieper. Doch dies sei nicht die Regel. Ihre Begründung: Die Treffen finden in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) Oberstadt statt, nicht in einem neutralen Raum an einer öffentlichen Straße. Die Heimleitung unterstütze die Arbeit des Vereins zwar, sagt Kohlmann. Doch eine Hürde bleibt. Derweil habe man das Angebot auch unter den Kunden der Stockacher Tafel bekannt gemacht, sagt Kohlmann. Denn der Verein strebt den Austausch zwischen Bevölkerungsgruppen an.

Das Tafel-Team um Margot Kammerlander sei sehr offen dafür gewesen. Pieper dazu: "Wir wollten Leute finden, denen es eventuell nicht so gut geht." Diese Leute nicht zu vergessen, sei ihr Anliegen, ergänzt Kohlmann. Unterstützung bekommt die Kulturbrücke von Stadtverwaltung und Bürgerstiftung. Beide zusammen haben die Renovierung des Raums für die Treffen, an der Geflüchtete mitgearbeitet haben, finanziert, so Pieper, die Bürgerstiftung habe die Farben für die Mal- und Gesprächswerkstatt gestellt.

Und die Bürgerstiftung unterstützt noch ein anderes Begegnungsprojekt der Kulturbrücke, das Ute Kohlmann initiiert hat. Unter dem Namen Montagsmaler waren kürzlich zum ersten Mal Kinder aus der GU Oberstadt im evangelischen Seniorenzentrum, das gegenüber an der Zoznegger Straße liegt. Kinder und Senioren gestalteten bunte Bilder auf Grundlage von Kandinskys "Farbstudie – Quadrate und konzentrische Ringe", so Sonia Steidle. Alle Beteiligten wollen die Aktion fortsetzen, schreibt die Bürgerstiftung in einer Pressemitteilung.

Und was sagen die Teilnehmer dazu? "Es sind gute Tage, wenn wir malen", erzählt Nahid, die seit Anfang der Aktion im Juli dabei ist. "Früher habe ich nur in der Schulzeit gemalt", berichtet Dabam, an der Uni habe sie nicht mehr weitermachen wollen. Und Omar, der zum ersten Mal dabei ist, berichtet, dass er durch das Flugblatt des Vereins auf das Angebot aufmerksam geworden sei.